19.08.2012

Harmonie #01 - Woher kommt der Ton?

Bevor wir in die Musik einsteigen, möchte ich dir erklären, was ein Ton überhaupt ist, wie er entsteht und wie du ihn hörst. Das ist zwar ziemlich trockner Stoff, aber da Musik nunmal aus Tönen besteht, sollte man wissen, worum es geht.

Ein Ton entsteht


Wenn wir etwas hören, gibt es immer etwas, das diese Geräusche oder diese Musik erzeugt. Dieses etwas kann alles Mögliche sein - wichtig ist, dass es die Luft hin und her bewegt. Das kann z.B. eine Trommel sein. Wenn du sie schlägst, drückst du das Fell herunter und dabei ziehst du automatisch die Luft darüber auseinander. Sie muss jetzt ja mehr Platz ausfüllen als zuvor. Dadurch wird die Luft dort erstmal dünner - man sagt: der Luftdruck sinkt (Bild 1). Nachdem Du es geschlagen hast, schwingt das Trommelfell zurück. Dabei drückt es die Luft darüber wieder zusammen. Dadurch steigt der Luftdruck nun wieder (Bild 2).

Das Trommelfell schwingt nicht nur bis zu seinem Ausgangszustand zurück, sondern noch ein ganzes Stück darüber hinaus - fast so weit, wie du es zuvor durch dein Schlagen hineingedrückt hast. Dann schwingt es wieder zurück. So schwingt das Trommelfell noch eine Weile hin und her (Bild 3).

Bei jedem Mal schwingt ein bisschen weniger, bis es schließlich zum Stillstand kommt. Dabei verdichtet und verdünnt es die Luft in regelmäßigen Abständen. Im zeitlichen Verlauf sieht man, dass die Schallwelle stark beginnt - man sagt: sie hat eine hohe Amplitude. Sie wird dann immer schwächer, bis sie verklungen ist.

Schwingungen und Wellen


Diese Luftdruck-Schwankungen breiten sich um die Trommel herum im Raum aus. Das kannst du dir so ähnlich vorstellen wie sich Wellen in einem Teich ausbreiten, wenn du einen Stein hinein wirfst. Deshalb nennt man sie »Schallwellen«. Und diese Schallwellen breiten sich mit Schallgeschwindigkeit aus. Die ist je nach Material anders. Schallwellen können sich nämlich auch in Wasser oder festen Körpern ausbreiten. In Helium ist die Schallgeschwindigkeit z.B. anders als in Luft. Deshalb hört es sich auch so witzig an, wenn man Helium einatmet und dann spricht. In der Luft beträgt die Schallgeschwindigkeit ca. 340 m/s (Meter pro Sekunde), das sind immerhin über 1200 km/h (Kilometer pro Stunde).

Wir haben festgestellt, das Schall dadurch entsteht, wenn ein Gegenstand schwingt und diese Schwingung an die Luft weitergibt. Manchmal ist dieser Gegenstand aber gar nicht nötig. Bei einer Flöte z.B. wird durch das Hineinblasen die Luft in ihr direkt in Schwingung versetzt. Nun gibt es Dinge die langsam schwingen wie z.B. eine Pauke (große Trommel) und es gibt Dinge die schneller schwingen, z.B. eine Gitarrensaite. Kleine Dinge schwingen besonders schnell, wie z.B. ein Schlüssel, wenn er zu Boden fällt. Wir stellen fest: Große Dinge schwingen meist langsamer und erzeugen tiefe Töne. Kleine Dinge schwingen meist schneller und erzeugen hohe Töne.

Etwas Physik


Die Schnelligkeit, mit der etwas schwingt, nennt man die »Frequenz« und man gibt sie als Zahl mit der Einheit »Hertz«, abgekürzt »Hz« an, z.B. 440 Hz. Die Zahl gibt an, wie oft etwas pro Sekunde hin und her schwingt, hier z.B. 440 Mal. Es gibt auch noch »Kilohertz«, abgekürzt »kHz«, für 1000 Hz. Darüber hinaus gibt es auch noch »Megahertz« (MHz) für 1 Million und »Gigahertz« (GHz) für 1 Milliarde Schwingungen pro Sekunde, aber die brauchen uns hier nicht zu interessieren, weil unser Gehör nur Töne zwischen ca. 18 Hertz und 20.000 Hertz, also 18 Hz bis 20 kHz, wahrnehmen kann.

Unsere Schallwelle breitet sich, wie gesagt, mit 340 m/s aus. Wenn diese Schallwelle, mal angenommen, 20 Mal pro Sekunde hin und her schwingt (also mit 20 Hz), dann muss jede einzelne Schwingung 17 m lang sein, denn 20 Schwingungen sind ja 340 m lang. Man nennt das die »Wellenlänge«. Man rechnet einfach:

Wellenlänge = Schallgeschwindigkeit : Frequenz 
als physikalische Formel: λ = c : ƒ (λ ist der grischische Buchstabe Lambda)
z.B.: 340 m/s : 20 Hz = 17 m

(Nebenbei: Wenn du die Einheiten m/s und m betrachtest, kannst du feststellen, dass 1 Hz das Gleiche sein muss wie 1/s, damit die Gleichung stimmt - und genau das bedeutet Hz ja auch: pro Sekunde.)

Halten wir also nochmals fest:
Tiefe Töne haben eine niedrige Frequenz und eine lange Wellenlänge.
Hohe Töne haben eine hohe Frequenz und eine kurze Wellenlänge.
Schwingungen haben immer auch etwas mit Längen zu tun.
(Oft ist es so, dass ein halb so großer Gegenstand eine doppelt so hohe Frequenz hat - so z.B. bei einer Gitarrensaite, deren Länge du halbierst, wenn du sie im 12. Bund drückst.)

Die Welle im Ohr


Aber nun zurück zu unserer Schallwelle - der von der Trommel. Irgendwann erreicht sie unser Ohr. (Kannst du ausrechnen, wie lange das dauert, wenn du 1 m neben der Trommel stehst?) Und dort drückt die Schallwelle auf das Trommelfell in unserem Ohr (ja, auch das nennt man Trommelfell). Die Schallwelle überträgt nun seine Schwingungen auf unser Trommelfell. Dieses wiederum setzt einen raffinierten Knochenmechanismus in Bewegung, der aus den winzigen Knochen »Hammer«, »Amboss« und »Steigbügel« besteht. Der Steigbügel überträgt als Letzter die Schwingung auf die »Hörschnecke«.

Und dort passiert nun das Erstaunliche. Schallwellen haben nämlich eine ganz besondere Eigenschaft. Sie regen andere Dinge zum Mitzuschwingen an, wenn diese einen Ton mit der gleichen Frequenz - also der gleichen Tonhöhe - von sich geben würden, wenn man sie zum Klingen bringt. An einem Klavier ganz du das gut ausprobieren (leider nur an einem echten, aber es geht, wenn du genau hinhörst, auch mit einer Gitarre). Halte nur das rechte Pedal getreten, spiele aber keinen Ton. Nun singe laut ein oder zwei kurze, möglichst gerade Töne. Du wirst feststellen, dass deine Töne im Klavier weiter hallen.

Deine Töne haben die Saiten mit passender Tonhöhe in Schwingung versetzt und sie schwingen langsam aus, bis du das Pedal loslässt. Man nennt das »Resonanz« und man sagt: Dein Ton hat die Saiten in Resonanz versetzt. Oder: Zwei Dinge befinden sich in Resonanz zueinander.

Genau das Gleiche passiert nun in der Hörschnecke, aber es ist sehr kompliziert. (Wenn es Dich interessiert: Wikipedia ist dein Freund.) Im Prinzip kann man es aber vereinfacht so ausdrücken: In der Hörschnecke befinden sich viele tausend Haarzellen, die auf unterschiedliche Tonhöhen - also Frequenzen - ansprechen. Je nach Ton werden also verschiedene, ganz bestimmte Haarzellen in Resonanz versetzt. Diese senden dann Nervenimpulse an unser Gehirn. Und aus diesen Nervenimpulsen macht unser Gehirn dann das, was wir als Töne, Musik, Krach, Sprache und, und, und empfinden.

Der Ton entsteht im Kopf


Wie unser Gehirn das macht, ist sehr komplex und vieles versteht auch die Wissenschaft noch nicht. Es ist jedenfalls so, dass die Nerven vom Ohr im Hörzentrum des Gehirns nach Tonhöhe geordnet ankommen. Das Gehirn vergleicht zunächst die ankommenden »Daten« mit bereits bekannten Mustern. Manches blendet es aus: Das Rauschen des Windes hörst du nach einer Weile nicht mehr und erst dann wieder, wenn du dich darauf konzentrierst. Anderes »begradigt« das Gehirn sozusagen: Es passt das Gehörte bekannten Mustern an. Daten, die z.B. dem Muster »Sprache« entsprechen werden ans Sprachzentrum weitergeleitet.

Parallel dazu berechnet das Gehirn die Richtung, aus der das Gehörte kam. Das ermittelt es hauptsächlich aus den winzigen Unterschieden in der Laufzeit der Schallwelle zum linken und zum rechten Ohr. Nachdem es die Daten soweit vorbereitet hat, entscheidet dein Gehirn nun anhand desses, worauf du dich gerade konzentrierst, was es in dein Bewusstsein rückt. Manches wird nur im Unterbewusstsein verarbeitet und dringt gar nicht ins Bewusstsein vor.

Nimm einmal die Musik. Du kannst sie ganz bewusst hören. Du kannst z.B. die Melodie auswendig lernen oder sie auf einem Instrument einüben. Aber Musik spricht auch deine Gefühle an, sie kann dich traurig machen, sie kann dich aufheitern, sie kann dich mitreißen oder beruhigen. Das passiert ganz unbewusst im Gefühlszentrum deines Gehirns, dem sogenannten »Limbischen System«. Du kannst dich ja bewusst auf etwas Bestimmtes konzentrieren, z.B. das Lesen eines Buches, und gleichzeitig romantische Musik hören.

Ein noch besseres Beispiel ist ein Kinofilm. Jeder hört die Filmmusik, aber niemand ist sich dessen bewusst, was er da hört. Jeder achtet auf Bild und Sprache. Aber erst die Musik erschafft die Spannung. Sie spricht direkt die Gefühle an. Als Musiker solltest du ab und zu bei Filmen ganz bewusst auf die Musik achten. Man kann dort viel darüber lernen, mit welchen musikalischen Mitteln man welche Gefühle im Zuhörer auslösen kann.