27.08.2012

Harmonie #02 - Die Klaviatur

In diesem Post möchte ich dir die Klaviertastatur, die sogenannte »Klaviatur« erklären. Nicht nur Klaviere und Flügel besitzen eine Klaviatur sondern auch Orgeln, Spinette, Cembalos, Melodicas und natürlich moderne Keyboards und Synthesizer. Auch viele Akkordeons besitzen zumindest für die rechte Hand eine Klaviatur.

Weil sie sich besonders gut dazu eignet (und ich selbst halt auch Keyboarder bin), werde ich im Folgenden vieles an der Klaviertastatur veranschaulichen. Die allermeisten Dinge lassen sich auf andere Instrumente übertragen, denn Harmonie und Melodie sind nicht vom Instrument abhängig – oder zumindest nur zu einem geringen Teil.

 
Wenn wir eine Tastatur betrachten, sehen wir, dass sich das Muster aus weißen und schwarzen Tasten wiederholt. Wenn wir nur die weißen Tasten zählen, kommen wir auf  7, bis das Muster mit der 8. Taste wieder von vorn beginnt – egal, wo wir mit dem Zählen anfangen. Den einzelnen Tönen dieses Musters hat man schon vor langer Zeit Namen gegeben. Im Deutschen ist es üblich, sie wie folgt zu nennen, wenn man mit der weißen Taste vor der 2-er-Gruppe schwarzer Tasten beginnt.

C - D - E - F - G - A - H - C

Das sind die Töne der C-Dur-Tonleiter, die ausschließlich aus weißen Tasten besteht. Es fällt auf, dass die Reihe die ersten 7 Buchstaben des Alphabets darstellt – bis auf das H, wo eigentlich ein B stehen müsste. Und es fällt auch auf, dass die Reihe nicht mit A beginnt, sondern mit C.

Das Letztere ist einfach zu erklären: Unsere heutige Musik hat sich über viele hundert Jahre aus der Kirchenmusik entwickelt. Diese Kirchentonleitern sind vielfach Moll-Tonleitern (mehr zu Dur und Moll später). Die einzige natürliche Moll-Tonleiter, die nur die weißen Tasten benutzt, ist A-Moll und sie beginnt mit einem A:

A - H - C - D - E - F - G - A

Darf's ein Ton mehr sein?


Die Sache mit dem B und dem H ist komplizierter. Im Mittelalter stellte sich nämlich heraus, dass man zwischen A und C je nach Tonleiter zwei verschiedene Töne benötigt, damit es gut klingt. Das heutige H nannte man ursprünglich B und es wurde – wie damals fast alle Buchstaben – klein und eckig geschrieben. Den zusätzlichen Ton nannte man »rundes B« und schrieb es als rundlichen Buchstaben. Übrigens: Schwarze Tasten wie heute gab es damals noch nicht und man musste alle B-Töne auf dem jeweiligen Instrument je nach Musikstück entsprechend umstimmen.

Im deutschsprachigen Raum, Polen, Tschechien und den skandinavischen Ländern hat sich mit der Zeit aus dem »eckigen« B der Buchstabe H entwickelt. Das entspricht der weißen Taste zwischen A und C. Das »runde« B wurde einfach zu B. Das entspricht der heutigen schwarzen Taste zwischen A und C.

In den meisten anderen Ländern, insbesondere den englischsprachigen, ist es dagegen beim B geblieben: aus dem »eckigen« B wurde der Großbuchstabe »B« und aus dem »runden« zunächst der Kleinbuchstabe »b« – später dann »Bb«. Und so ist es auch heute noch. Das kann einigermaßen Verwirrung stiften, weil man ja nicht genau weiß, ob mit »B« das deutsche B oder das deutsche H gemeint ist. In den allermeisten Fällen kriegt man das aber schnell heraus, wenn man es einmal so und einmal so spielt: Einmal hört es sich richtig an und einmal nicht. Dann weiß man, wie es für das Stück gemeint ist.

Für dieses Blog hier werde ich die deutschsprachige Version mit »H« verwenden. Allerdings werde ich für »B« immer »Bb« schreiben, damit es nicht zu Verwechslungen kommt. Das mache nicht nur ich so, sondern auch viele andere Musiker. Die deutschen müssen sich dann nur merken, dass »Bb« das Gleiche ist wie »B« im Deutschen, und die englischen, dass »H« das Gleiche ist wie »B« im Englischen.

Die Geburt der schwarzen Tasten


Die Einführung des zusätzlichen Tons Bb zwischen A und C bewirkte schließlich die Einführung der schwarzen Tasten, so wie wir sie heute kennen. Nicht nur, dass es recht umständlich war, das Instrument je nach Musikstück umstimmen zu müssen – man stellte bald fest, dass es auch an anderen Stellen der Tonleiter sinnvoll wäre, wenn es Töne »dazwischen« gäbe. So bildete sich mit der Zeit die Klaviatur (Klaviertastaur) heraus, wie wir sie heute kennen:

Dabei haben alle schwarzen Tasten zwei Namen. Je nach musikalischem Zusammenhang kann man z.B. die schwarze Taste zwischen D und E als »etwas höher als D« auffassen oder als »etwas tiefer als E«. Deswegen heißt sie einmal »Dis« und einmal »Es« und man sagt: »D wird zu Dis erhöht« oder »E wird zu Es erniedrigt« oder vermindert. Wenn ein Ton erhöht wird, hängt man die Buchstaben »is« an den Namen. Wenn ein Ton erniedrigt wird, werden stattdessen bei D und G die Buchstaben »es« angehängt, bei E und A nur »s« und bei H heißt es im Deutschen »B«.


Wenn man sie aufschreibt, kennzeichnet man es mit einem sogenannten »Vorzeichen« oder »Versetzungszeichen«, wenn ein Ton erhöht oder erniedrigt wird. Man schreibt für Erhöhung ein »#« dazu und für Erniedrigung ein »b«. Im Notenbild schreibt man es vor die Note.

Wenn man dagegen in Buchstaben aufschreibt, steht es oft statt des »is«, »es« oder »s« direkt hinter dem Ton-Buchstaben. (Jetzt ist auch klar, warum es sinnvoll ist, das deutsche B als »Bb« aufzuschreiben.)

Vielleicht hast du dich schon gefragt, warum es zwischen E und F und zwischen H und C keine schwarzen Tasten gibt. Auf den ersten Blick ist die Antwort ganz einfach: Dort werden keine Töne »dazwischen« gebraucht. Bezüglich der Tonhöhe war der Abstand zwischen den Tönen E und F sowie H und C nämlich schon immer kleiner als der Abstand zwischen den anderen Tönen. Das liegt daran, das die Abstände aufeinander fogender Töne der meisten Tonleitern nicht alle gleich sind (und es schon damals nicht waren). Mit der Verteilung der 5 schwarzen Tasten hatten alle Tasten – die weißen und schwarzen zusammen genommen – ungefähr den gleichen Abstand.

Warum schreibe ich »hatten« und »ungefähr«? Tcha, da wird es dann ein bisschen kompliziert und es wird im nächsten Post klar, warum. Ich möchte aber schonmal vorweg nehmen, dass beispielsweise die Töne Dis und Es eben doch nicht genau das Selbe sind. Aber wie geht das, wenn sie doch auf der gleichen Taste liegen? Das haben wir neben Anderen auch Johann Sebastian Bach zu verdanken. Man ist nämlich auf die Idee gekommen, dass man die Ton-Abstände zwischen den 12 weißen und schwarzen Tasten genau gleich machen könnte.

Das war nämlich vorher nicht so. Mit der Einführung der erhöhten und erniedrigten Töne war das Problem mit dem Umstimmen nämlich wider Erwarten nicht kleiner geworden sondern noch größer. Wenn man ein Instrument auf ein bestimmte Tonart – nehmen wir mal an: C-Dur – sauber gestimmt hatte, klang es in einigen anderen Tonarten – z.B. D-Dur – grauenhaft schief.
Man konnte also nicht einfach die Tonart wechseln, ohne das Instrument vorher umstimmen zu müssen. Das ist bei einem Tasteninstrument sehr lästig – bei einer Kirchenorgel kann das sogar Tage dauern!

Man wollte dem zunächst damit Abhilfe schaffen, indem man noch mehr schwarze Tasten einführte, damit man die Töne genauer treffen konnte. Es gab dann z.B. kleinere schwarze Tasten, die an bestimmten Stellen zwischen den anderen schwarzen und weißen Tasten lagen. Oder es gab mehrere Reihen schwarzer Tasten. Leider wurden die Instrumente dadurch so kompilizert, dass sie einerseits zu teuer und andererseits kaum noch spielbar wurden.

Das brachte dann Bach und seine Zeitgenossen auf eine glorreiche Idee. Man stimmt das Instrument nicht mehr ganz sauber – oder »rein«, wie man sagt. Man verstimmt alle Töne ein kleines Bisschen – genau soweit, dass die Abstände in der Tonhöhe alle gleich sind. Damit verteilt sich der Fehler mit den schiefen Tönen auf alle 12 Töne und damit ist er kaum noch hörbar. Außerdem liegen die kleinen Fehler in jeder Tonart an der gleichen Stelle der Tonleiter – und daran kann sich unser Ohr gewöhnen.

Das war eine musikalische Revolution: Ab sofort konnten Tasteninstrumente in jeder beliebigen Tonart gespielt werden, ohne umgestimmt werden zu müssen. Sogar in ein und dem selben Stück konnten die Komponisten jetzt viel mehr verschiedene Tonarten einsetzen. Bach selbst komponierte ein Klavier-Werk und nannte es »Das wohltemperierte Klavier« (von latteinisch »temperare«: richtig bemessen). Es enthält jeweils ein Klavierstück für alle 12 Dur- und alle 12 Moll-Tonarten. Das machte Bach zum Superstar (für damalige Zeiten).

Wir bezeichnen diese Stimmung heute als »gleichstufige Stimmung«. Oft sagt man zwar auch »temperierte Stimmung«, aber es gibt auch noch andere Stimmungen, die man unter »temperiert« zusammenfasst – daher besser: gleichstufige Stimmung. Heutzutage werden die meisten Instrumente gleichstufig gestimmt – und auch nicht nur Tasteninstrumente.

Die Töne auf den schwarzen Tasten sind denen auf den weißen völlig gleichwertig. Die Ton-Abstände von einer Taste zur nächsten sind immer gleich, egal ob schwarz oder weiß. Die schwarzen Tasten unterscheiden sich von den weißen eigentlich nur durch ihre Farbe und Form.

Wenn ich in Beispielen oft von C-Dur oder A-Moll ausgehe – also Tonarten die (meist) nur die weißen Tasten benutzen –, bedeutet das nicht, dass diese Tonarten in irgendeiner Weise bevorzugt wären. Ich tue das nur, weil man bei diesen beiden Tonarten viele Zusammenhänge am besten veranschaulichen kann. Aber diese Zusammenhänge gelten für alle Tonarten gleichermaßen.

Anmerkung:

Es gibt auch Klaviaturen, wo schwarz und weiß vertauscht sind, z.B. häufig bei Spinetten und Cembalos. Das liegt daran: Tasteninstrumente wie Orgeln waren damals sehr teuer und es konnten sich nur wirklich Reiche leisten. Für die wurden dann die großen, vorderen Tasten mit weißem Elfenbein belegt und die kleineren, hinteren mit schwarzem Ebenholz. Bei preiswerteren Instrumenten, wie den damals weit verbreiteten Spinetten und Cembalos, waren die Tasten dagegen mit Holz belegt. Für die vorderen, häufiger benutzen Tasten nahm man härteres Holz, damit es nicht so schnell abnutzt. Und meist ist härteres Holz eben dunkler als weicheres. Daraus wurde später dunkelgrau für unsere »weißen« Tasten und weiß für unsere »schwarzen«.

Ich habe auch schon die Erklärung gehört, dass man einen Kontrast herstellen wollte zwischen den Noten – schwarz auf weiß – und der Tastatur – hell auf dunkel –, um einen Ausgleich fürs Auge zu schaffen. Heute weiß man allerdings, dass es ganu umgekehrt ist: Das Auge wird durch den dauernden Hell-Dunkel-Wechsel nämlich mehr belastet.